Bildhauer Sebastian Hertrich erhält den PHÖNIX für seine „Mahnung in digitalen Zeiten“
Der Nürnberger Bildhauer Sebastian Hertrich hat am 28. Oktober 2020 den 12. PHÖNIX Kunstpreis für Nachwuchskünstler in den Räumlichkeiten der Evangelischen Akademie Tutzing erhalten. In seiner Laudatio auf den Preisträger lobte der Journalist und Jurist Prof. Dr. Heribert Prantl das Werk des 34-Jährigen als eine „Mahnung in digitalen Zeiten“ und „große Kunst“. Stifter des Preises ist der Tutzinger Unternehmer Richard von Rheinbaben.
„Die Werke von Sebastian Hertrich haben mir Fluch und Segen der Digitalität näher gebracht als Paragrafen und Fachaufsätze”, so Heribert Prantl. Hertrichs Arbeiten seien „kühl und packend zugleich“ und begeisterten „durch ihre Intensität und ihre binäre Emotionalität“.
In seiner Laudatio erinnerte Prantl an das hessische Datenschutzgesetz, das am 13. Oktober 1970 als erstes Datenschutzgesetz der Welt in Kraft getreten sei. In den heutigen Zeiten, in denen Daten als „das Öl des 21. Jahrhunderts“ gelten, sei das Recht auf Privatsphäre „notleidend“ geworden.
Aus der früheren Datenaskese sei eine Datenekstase geworden, so Prantl. Die unbekümmerten Nutzer sozialer Netzwerke vergäßen, dass sie „diese Dienste mit ihren Daten bezahlen“.
326 Einreichungen
Preisträger Sebastian Hertrich hatte sich im Wettbewerb mit 326 Einsendungen von internationalen Künstlerinnen und Künstlern durchgesetzt. In der Begründung der Jury des PHÖNIX Kunstpreises heißt es: „Sebastian Hertrichs Werke faszinieren auf den ersten Blick – die zeitlose Ästhetik, ihre räumliche Präsenz und die ungewöhnliche Farbigkeit sind umwerfend. Der zweite Blick offenbart überraschende Materialien.“ Glitzernde Computerplatinen und transparentes Acrylglas „sind meisterhaft verarbeitet und verweisen auf die kritische Auseinandersetzung des Bildhauers mit den Verheißungen der Digitalisierung”.
Hertrich wurde in Haale (Saale) geboren und absolvierte in Oberammergau eine Ausbildung zum Bildhauer, bevor er an der Bauhaus-Universität Weimar Freie Kunst studierte. In seiner Dankesrede erinnerte er an Etappen seiner „inoffiziellen Biografie“ als Pizzabäcker, Stromzählerableser, Weihnachtsbaumverkäufer oder Arbeiter im Trockenbau. Künstler zu sein, bedeute oft auch, im Niedriglohnsegment beschäftigt zu sein. Ohne Förderer sei Kunst „nichts“. Aus diesem Grund freue er sich enorm, die Auszeichnung entgegenzunehmen.
Der PHÖNIX Kunstpreis wird seit 2005 von der Eurobuch GmbH vergeben. Stifter des Preisgeldes in Höhe von 20.000 Euro ist der Tutzinger Unternehmer Richard von Rheinbaben.
Laudator Prof. Dr. Heribert Prantl lobt das zeitgemäße Werk des PHÖNIX 2020 Preisträgers Sebastian Hertrich auch in seiner am 31. Oktober 2020 in der Süddeutschen Zeitung erschienenen Kolumne „Auf dem Weg in die digitale Gesellschaft geht der Bürgerschutz verloren“. Er mahnt, dass die „digitale Revolution nicht zur digitalen Inquisition“ werden dürfe und kritisiert, dass der Datenschutz nicht die Kraft habe, die er bräuchte. Schuld seien aber weniger die Gesetze als vielmehr das fehlende Bewusstsein der Nutzer von facebook, instagram, twitter und Co. In Zeiten von Corona werde der Bürger zusätzlich daran gewöhnt, dass Einschränkungen der Grundrechte zu den Bewältigungsstrategien einer Krise gehörten.
Die Kolumne „Auf dem Weg in die digitale Gesellschaft geht der Bürgerschutz verloren“ von Prof. Dr. Heribert Prantl finden Sie hier:
https://www.sueddeutsche.de/politik/datenschutz-buergerrechte-prantl-1.5099452?reduced=true
Der Mann ist aus grünem Epoxidharz, er steht cool da, aber irgendwie abwesend abweisend. Er heißt „Homo digitalis“. Seine Oberfläche, selbst das Gesicht, besteht aus zerschnittenen Computerplatinen; der digitale Mensch lebt eben im Netz und vom Netz. (Prof. Heribert Prantl“ über die vom Nürnberger Bildhauer und PHÖNIX 2020 Preisträger Sebastian Hertrich erschaffene Figur.)